Die Hitze hing noch immer über den Dächern der Stadt, obwohl es schon nach Mitternacht war. Lisa lag auf ihrem Bett, die Fenster weit geöffnet, die Gardinen bewegten sich sanft im Nachtwind. Die Luft war warm, aber nicht drückend – eher elektrisch. So wie die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen, seit der neue Mieter gegenüber eingezogen war.
Ein Blick zu viel
Seine Fenster lagen direkt gegenüber, nur wenige Meter entfernt. Manchmal sah sie ihn – wie er spät las, Musik hörte, sich ein Glas Wasser holte. Oft ohne Shirt. Manchmal nur mit einem Handtuch. Er wusste, dass sie ihn sehen konnte. Und doch machte er nie die Vorhänge zu.
Heute war er wieder dort. Sie sah das Licht, den Schatten seiner Bewegung. Und dann, ganz plötzlich – stand er am Fenster. Er sah zu ihr. Kein Zögern, kein Lächeln. Nur dieser direkte, ruhige Blick. Ihre Blicke hielten sich fest, viel länger, als es bei Nachbarn üblich wäre. Lisa spürte, wie sich ihr Körper spannte. Sie bewegte sich nicht. Er auch nicht. Aber etwas zwischen ihnen bewegte sich sehr wohl.
Der Moment, in dem keiner sprach
Sie stand langsam auf, trat näher ans Fenster, in ihrem leichten Kleid, das mehr andeutete als verhüllte. Sein Blick wanderte. Ruhig. Nicht gierig – aber deutlich. Dann hob er sein Glas, prostete ihr zu. Lisa zögerte kurz, dann nickte sie ihm zu. Ein stilles Einverständnis.
Minuten vergingen. Dann klopfte es. Leise, bestimmt. Als sie öffnete, stand er da. In T-Shirt und Jeans, ein Hauch Nachtduft um ihn. Keiner sprach ein Wort. Sie trat zur Seite, ließ ihn herein. Ihre Blicke tanzten ein letztes Mal, bevor sich ihre Körper fanden.
Nur Haut und Nähe
Die Berührungen waren langsam. Ehrlich. Seine Hände glitten über ihre Taille, fanden ihren Rücken, zogen sie näher. Ihre Lippen trafen sich vorsichtig, dann verlangender. Sie bewegten sich durch den Raum, als hätten sie das schon einmal getan – irgendwo, in einem Traum.
Das Bett, noch unberührt, nahm sie auf. Kein Geräusch außer Atemzügen und den Stimmen der Stadt von draußen. Ihre Körper fanden sich ohne Hast, ohne Eile, aber mit der Klarheit zweier Menschen, die nichts mehr fragen müssen. Nur fühlen. Nur geben. Nur sein.
Am Morgen
Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen, war er noch da. Er lag auf der Seite, sah sie an, sagte nichts. Auch sie schwieg. Aber ihre Finger verschränkten sich langsam ineinander.
Manchmal beginnt Nähe nicht mit Worten. Sondern mit einem Blick über die Dächer.